Na ja, es geht mir auch nicht mal so sehr ums Gewinnen, sondern darum, dass das "System Jogi" irgendwie nicht mehr greift. Die Mannschaft hatte sich in den letzten Jahren eine gewisse Dominanz erspielt, vor der viele Gegner (vor allem die kleineren) vorher gezittert haben - und die jetzt verloren gegangen ist. Und ich glaube irgendwie nicht, dass Jogi die wiederbeleben kann.
Man muss auch nur mal die Auftritte zwischen der letzten EM und der jetzigen WM vergleichen: Das ist ein gewaltiger Unterschied! Denn was entscheidend ist, ist doch, wie sich die Mannschaft und das Spiel seitdem (bzw. seit dem Titelgewinn 2014) entwickelt haben - und da sehe ich keine großen Sprünge. Im Gegenteil, bestenfalls hat die Entwicklung stagniert. Löw hat im Interview mit Katrin Müller-Hohenstein auch nicht umsonst von "Selbstherrlichkeit" gesprochen. Das war im Turnier tatsächlich auch mein Gefühl. Von Beginn an waren sie sich irgendwie zu sicher, fast schon "arrogant". Und ich finde, dass das zu einem großen Teil eben dem Trainer anzulasten ist. Denn der hat doch dafür zu sorgen, dass seine Spieler weder überheblich werden noch ihr Selbstvertrauen verlieren.
Nun ist der deutsche Fußball natürlich auch keine Baustelle, so wie es damals war. Dafür ist das Fundament viel zu solide, und am talentierten Nachwuchs mangelt es beileibe nicht. Aber wie sagt man so schön? Es braucht neue Impulse. Und seien wir ehrlich: Die kann doch eigentlich nur ein neuer Trainer bringen. Wäre jetzt auch der richtige Zeitpunkt, zumal ich denke, dass Löw mit der Nationalmannschaft schon seit Längerem über seinen Zenit hinaus ist. Denn das Ding ist doch auch, dass jeder Trainer sein spezielles System und seine spezifische Art hat, wie er Fußball spielen lässt. Das hat bei Löw ja auch lange funktioniert, nachdem Jürgen Klinsmann mit dem "Sommermärchen" 2006 das Fundament gelegt hat. Nun müsste eben einer kommen, der da nahtlos anknüpft und trotzdem noch seine eigenen Facetten hinzufügt.
Ich fände es jedenfalls gut und richtig, wenn Löw sich jetzt zurückziehen und den Platz für einen neuen (und vielleicht auch jüngeren) Trainer freimachen würde. Ist auch die Frage, wer von den Weltmeistern beim nächsten Turnier überhaupt noch dabei sein wird. Könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere bis dahin noch zurücktritt. Denn man muss auch noch eins sagen: Als Führungsspieler hat sich von denen diesmal keiner entpuppt - vielleicht auch ein Faktor, der jetzt gefehlt hat. Man muss nur mal an die WM denken, bei der Schweini sich richtig reingeworfen und die Mitspieler angetrieben und mitgerissen hat. Von dieser Motivation und diesem Willen war diesmal kaum was zu sehen. Hier hätte ich einen Özil, Hummels, Kroos oder Boateng in der Pflicht gesehen. Aber gefühlt hat jeder die Verantwortung von sich geschoben, was sich auch im Spiel selbst geäußert hat. Statt mal aufs Tor zu halten, wurde der Ball permanent zum Mitspieler geschoben und noch mal gepasst und noch mal gepasst... Und wenn man sich die aktuelle Defensivleistung anschaut, dann kann man auch sagen, dass man Lahm und Mertesacker immer noch nicht adäquat ersetzt hat. Auch ein Faktor, den man nicht vernachlässigen sollte. Zumindest habe ich die deutsche Abwehrkette noch nie derart fragil erlebt.
Was mir aber auch noch aufgefallen ist, ist das Phänomen, das im Ligafußball auch schon seit einiger Zeit zu beobachten ist: Die kleineren und vermeintlich schwächeren Mannschaften haben das Offensivspiel der stärkeren Gegner mittlerweile "entschlüsselt" und halten dementsprechend defensiv gut dagegen - was allerdings dazu führt, dass viele Spiele "zerstört" werden und nicht mehr ansehnlich sind. Dass diese Rechnung gut und gerne mal aufgeht, sieht man bei der diesjährigen WM.
Vom bisherigen Turnierverlauf mal abgesehen: Ich frage mich immer noch, was das für den Profifußball bedeutet.
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